Nich ohne unsere Freund*innen! – Solidarität im Härtefall

In den Jahren 2015 und 2016 haben wir mit der Kampagne Nicht ohne unsere Freund*innen! – Solidarität im Härtefalldie restriktive Basler Härtefallpraxis thematisiert und für die Bewilligungen für acht Sans-Papiers gekämpft, denen das Migrationsamt keine Härtefallbewilligung erteilen wollte. Hier finden sich die Beiträge zu den wichtigsten Meilensteinen der Kampagne: die Erteilung der Bewilligungen, die öffentliche Einreichung der Gesuche, und die Anliegen zum Kampagnenbeginn.

In der Broschüre, die rechts heruntergeladen werden kann, finden sich Portraits der acht Sans-Papiers und weitere Informationen.Alles Weitere zur Kampagne findet sich auf der damaligen Kampagnen-Webseite, die hier /Link zum Backup der Seite/ zugänglich ist.

Endlich Bewilligungen!

Die Monate des Bangens sind vorbei und wir sind sehr erleichtert und glücklich: Die Gesuche von Beto, Marta und Meire sind auch vom Staatssekretariat für Migration (SEM) gutgeheissen! Nach der schier unendlichen Zeit des Wartens ist damit also die letzte Hürde geschafft und die drei erhalten endlich die lange ersehnten Bewilligungen. Herzliche Gratulation!!

Lange Jahre des Kämpfens und Hoffens

Mittlerweile sind über zwei Jahre vergangen, seit Beto, Marta und Meire zusammen mit anderen Sans-Papiers ihre anonymen Dossiers beim Kanton Basel-Stadt eingereicht haben – zwei lange Jahre voller Hochs und Tiefs. Nachdem das Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) ihre Gesuche Ende 2014 als wenig chancenreich einstufte, war die Enttäuschung gross. Aber die folgenden Treffen und Gespräche haben bald den grossen Willen entstehen lassen, nicht aufzugeben und dafür zu kämpfen, nach den vielen Jahren als Sans-Papiers endlich eine Bewilligung zu erhalten. Mit der Gründung des Komitees Nicht ohne unsere Freund*innen! haben wir uns organisiert, um die Sans-Papiers auf ihrem weiteren Weg dahin zu unterstützen.

Begleitet von einer grossen Öffentlichkeitskampagne konnten wir gemeinsam breite Unterstützung für unsere Anliegen – einerseits die Gutheissung der persönlichen Fälle, andererseits die Öffnung der Härtefallregelung im Kanton Basel-Stadt – erreichen. Die vielen Solidaritätsbekundungen haben uns allen, sowohl den Sans-Papiers wie auch den Unterstützer*innen, den Rücken gestärkt und Mut gemacht, unsere Ziele zu verfolgen. So konnten wir bei den vielen Aktionen und Veranstaltungen, aber auch bei unseren Treffen und Sitzungen unzählige schöne und bestärkende Momente erleben. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an alle, die uns in der einen oder anderen Weise unterstützt haben!

Die negative Antwort des Migrationsamts diesen Sommer war dann aber ein grosser Rückschlag. So sehr immer klar war, dass dies nicht das Ende sein würde, so sehr hat es uns doch getroffen, dass das Migrationsamt solche Fälle nicht als Härtefälle anerkennen will. Mit einer weiteren Solidaritätswelle sind wir dann die Sitzung der kantonalen Härtefallkommission angegangen und haben auf ihre Expertise gezählt. Die Erleichterung war gross, als die Kommission die Fälle Ende September zur Weiterleitung ans SEM empfohlen hat und Baschi Dürr als Vorsteher des JSD der Empfehlung gefolgt ist. Wir hofften sehr, dass dies nun endlich die letzte Etappe des ermüdenden Wartens sein wird.

Neujustierung der Härtefallregelung im Kanton Basel-Stadt

Und tatsächlich, nach einigen weiteren Wochen der Unsicherheit beginnt für Beto, Marta und Meire nun ein neues Kapitel in ihrem Leben. Sie dürfen nun da sein, wo sie sowieso schon seit Jahren sind – in ihrer neuen Heimat Basel. Persönlich ist es für sie alle eine grosse Freude, endlich die Bewilligung zu erhalten. Aber auch für andere Sans-Papiers ist dies ein wichtiger Erfolg. Denn mit der Gutheissung dieser Fälle muss sich auch die Härtefallpraxis im Kanton Basel-Stadt ändern.

Wir sind froh, dass die Anlaufstelle für Sans-Papiers nun den Kontakt mit dem Migrationsamt und dem JSD sucht, um bezüglich der Veränderungen im Verständnis und der Anwendung der Härtefallregelung Klarheit zu schaffen. Auch wenn die Gutheissung der Gesuche vom SEM aufgrund der Vergleichsfälle aus anderen Kantonen zu erwarten war, sind wir sehr erleichtert, die Antwort vom SEM jetzt vorliegen zu haben. Die vielen Begutachtungen der Dossiers und die negativen Einschätzungen haben uns zwar nicht zweifeln lassen, uns aber auch keine Ruhe gelassen. Die Bestätigung, dass auch Einzelpersonen ohne Gesundheitsprobleme Härtefälle sein können, kommt nun sicher auch der zu erwartenden Neubeurteilung der Gesuche von Bojan, Raquel sowie Sarah und Tumur zugute.

Für uns alle – die Sans-Papiers wie die Unterstützer*innen – waren es zwei lange, aufwändige und aufreibende Jahre. Dass mittlerweile die Hälfte der Sans-Papiers der Kampagne eine Bewilligung erhalten haben, ist ein grosser Erfolg. Wir hoffen, damit das Minimum für eine offene und soziale Stadt erreicht zu haben: dass eine der wenigen guten Regelungen der restriktiven Migrationspolitik des Bundes endlich auch in Basel angewendet wird. Dies muss sich nun aber auch noch bei Bojan, Raquel sowie Sarah und Tumur und schliesslich auch bei den in Zukunft eingereichten Härtefallgesuchen beweisen. Bewilligungen für alle – wir halten die Augen offen!

Einreichung der Härtefallgesuche

Am Donnerstag, dem 7. April haben wir die Härtefallgesuche eingereicht. Fünf der Sans-Papiers haben ihr Härtefallgesuch namentlich eingereicht. Nach Jahren und Jahrzehnten des Lebens in Basel legen sie die Masken der Anonymität ab und ersuchen um eine Bewilligung, um endlich ohne Angst in ihrer neuen Heimat leben zu können. Desirée, eine der Sans-Papiers, sagte in ihrer Rede: „Es ist ein grosser Schritt für uns, diese Gesuche einzureichen. Jahrelang haben wir uns versteckt und mussten immer Angst haben. Jetzt nehmen wir unsere Masken ab und zeigen uns. Unser grosser Wunsch ist es, dass wir ohne Masken hier leben können.“ Drei der Sans-Papiers konnten sich nicht dazu entscheiden, das grosse Risiko, das mit der Offenlegung der Identität einhergeht, einzugehen. Da aber auch sie die Kriterien dafür, ein Härtefall zu sein, erfüllen, haben sie ihre Dossiers noch einmal anonym eingereicht.

Zusammen mit den Gesuchen wurden auch die Unterschriftensammlung der Kampagne und die Logos der unterstützenden Organisationen übergeben. Zwar handelt es sich bei Härtefällen um Einzelfallgesuche, hinter diesen steht aber eine breite Öffentlichkeit. In den vergangenen Monaten haben rund 3000 Menschen und 30 Organisationen unsere Anliegen unterzeichnet.

Rund 130 Personen haben die Sans-Papiers bei der Übergabe unterstützt. Auch die Sans-Papiers haben in den vergangenen Wochen und Monaten die grosse Solidarität gespürt. So sagte Desirée in ihrer Rede: „Es freut uns sehr, dass sich so viele Menschen solidarisch zeigen und uns den Rücken stärken.“ Nach der Rede haben acht Personen mit Masken dem Leiter des Migrationsamts, Herrn Michel Girard, die Gesuche und gleichzeitig auch die Masken übergeben. Danach wurden die während der Übergabe von allen Beteiligten geschwenkten Unterschriftenbögen und Logos in einer Kiste gesammelt und Herrn Frey, dem Generalsekretär des Justiz- und Sicherheitsdepartements übergeben.

Hier die vollständige Rede von Desirée:

Sehr geehrter Herr Girard, sehr geehrter Herr Frey, sehr geehrte Anwesende

Mit Freude und grosser Hoffnung kommen wir heute hierher, um unsere Härtefallgesuche zu übergeben. Es ist ein grosser Schritt für uns, diese Gesuche einzureichen. Jahrelang haben wir uns versteckt und mussten immer Angst haben. Jetzt nehmen wir unsere Masken ab und zeigen uns.

Wir leben alle schon viele Jahre in Basel. Wir sind aus verschiedenen Gründen in diese Stadt gekommen. Hier haben wir Freunde, Arbeit und ein neues Leben gefunden. Wir haben die Schweizer Kultur kennen gelernt und uns in Basel integriert.

Es ist nicht immer einfach. Ohne Papiere sind viele Türen verschlossen. Wir können keine Ausbildung machen und müssen immer aufpassen, dass wir nicht entdeckt werden. Jeden Tag fordern wir unser Schicksal heraus. Man kann nur wissen, was das bedeutet, wenn man es selbst erlebt.

Aber wir lieben Basel und sind hier zuhause. Hier haben wir unsere Freunde und unsere Arbeit. Und wir tragen zum Leben in der Stadt bei. Unser grosser Wunsch ist es, dass wir ohne Masken hier leben können.

Sehen Sie, Herr Girard und Herr Frey, wir sind nicht alleine gekommen. Viele sind überzeugt, dass die Zeit endlich gekommen ist, uns von der Last der Maske zu befreien. Mit der Kampagne Nicht ohne unsere Freund*innen! haben wir viele Menschen für unsere Situation sensibilisieren können. Die Kampagne hat uns auch Mut gemacht, für unser Anliegen einzustehen.

Es freut uns sehr, dass sich so viele Menschen solidarisch zeigen und uns den Rücken stärken. Wir haben 3000 Unterschriften gesammelt und 30 Organisationen unterstützen unser Anliegen. Wir übergeben ihnen heute auch die Unterschriften und die Logos der Organisationen.

Wir hoffen, dass wir die Anerkennung erhalten, die wir uns verdient haben. Und dass wir das Papier erhalten, das uns erlaubt, frei und wirklich wie richtige Bewohnerinnen von Basel zu leben.

Vielen Dank.

Nicht ohne unsere Freund*innen! – Solidarität im Härtefall

Zuhause, aber mit Angst

Ana, Bojan, Isabelle, Cristina, Sarah/Timur, Beto, Raquel und Maria leben alle seit vielen Jahren in Basel. So unterschiedlich ihre Geschichten sind, finden sich doch grundlegende Ähnlichkeiten. Sie alle hatten in ihrem Herkunftsland keine Zukunft und mussten unter schwierigsten Bedingungen ihre Heimat und ihre Liebsten verlassen. Alle hat das Schicksal nach Basel gebracht. Und für alle ist die Stadt zu ihrem Lebensmittelpunkt geworden.

Das Leiden ist damit aber nicht vorbei. Ihre Freude darüber, in Basel eine neue Heimat gefunden zu haben, ist stets überschattet von der existenziellen Sorge, diese vom einen auf den anderen Tag verlieren zu können. Denn ihnen fehlt ein einziges Stück Papier – eine Aufenthaltsbewilligung. Sie sind Sans-Papiers und können jederzeit verhaftet und ausgeschafft werden.

Sie leben unter ständiger Angst und bewältigen ihren Alltag im Versteckten und ohne Möglichkeit, ihre Rechte wahrzunehmen. Dass sie dies seit Jahren aushalten, ist Ausdruck ihrer Kraft, aber auch ihrer Ausweglosigkeit. Denn ein Neuanfang in den Ländern, in denen sie aufgewachsen sind, ist ihnen nicht mehr zumutbar. Basel ist der Ort, an dem sie überhaupt eine Zukunft haben. Und mittlerweile auch der Ort, an dem sie sich wohl fühlen und zuhause sind.

Die Möglichkeit, menschlich zu handeln

Das Gesetz erlaubt den Migrationsbehörden, menschlich zu handeln und in Einzelfällen solch unerträgliche Zustände aufzuheben. Art. 30 Abs. 1 Bst. b im Ausländergesetz sieht vor, dass in „schwerwiegenden persönlichen Härtefällen“ eine Bewilligung erteilt wird. Genau für Sans-Papiers, die sich hier in der Schweiz ein Leben aufgebaut haben, Teil der Gesellschaft geworden sind und keine Möglichkeit auf einen Neuanfang im Herkunftsland haben, gibt es diese Härtefallbestimmung. Nun ist es wichtig, dass sie von den Behörden auch genutzt und angewandt wird.

Durch ihren langen Aufenthalt und die umfassende Integration erfüllen unsere Freund*innen klar die Voraussetzungen dafür, ein solcher Härtefall zu sein. Die verlangte Gegenüberstellung der zukünftigen Situation im Ausland und der persönlichen Verhältnisse in der Schweiz lassen bei diesen acht Sans-Papiers keine Zweifel daran, dass sie eine Aufenthaltsbewilligung erhalten müssen. Trotzdem hat das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt die zur Vorprüfung eingereichten anonymen Gesuche mit negativen Einschätzungen beantwortet. Wenn man ihre Geschichten kennt und sich ihre Lebenssituationen vor Augen führt, ist diese Einschätzung nicht nachvollziehbar.

Solidarität im Härtefall

Wir, das Komitee „Nicht ohne unsere Freund*innen!“, unterstützen die acht Sans-Papiers darin, ihre definitiven Gesuche einzureichen. Sie leben in Basel und gehören zu Basel. Wir stehen dafür ein, dass die Behörden des Kantons ihren Spielraum bei der Beurteilung von Härtefallgesuchen menschlich nutzen und mit einem positiven Entscheid den Lebenssituationen dieser langjährig hier Ansässigen gerecht werden.

Unsere Freund*innen haben sich ihr Leben in Basel seit langem hart erarbeitet – was fehlt ist die Anerkennung dafür. Wir haben sie in unseren Haushalten putzen, auf unsere Kinder aufpassen, auf unseren Baustellen, in unserer Landwirtschaft und in unseren Restaurants arbeiten lassen. Jetzt müssen wir auch dazu stehen und ihnen die Anerkennung geben, die sie sich verdient haben!

Mit einer Teilnahme an gemeinsamen Treffen und Aktionen ab Herbst 2015 und einer Unterschrift für das Anliegen helfen auch Sie! Machen Sie mit! Die Sans-Papiers brauchen unsere Solidarität!