1. Mai 2021


Gegen Krise und Diskriminierung – Gemeinsam solidarisch kämpfen!

Vor ein paar Wochen habe ich im Tram auf meiner Muttersprache telefoniert. Plötzlich hat mich von hinten jemand auf den Kopf geschlagen. Ich habe mich umgedreht. Der Schläger war ein grosser Mann. Ich habe zu den anderen Leuten geschaut. Aber niemand hat reagiert. Ich hatte Angst vor diesem Mann. Aber noch mehr Angst hatte ich vor allen anderen. Warum reagieren sie nicht? Was denken sie? Ruft jemand von ihnen gleich die Polizei? Bekomme ich noch mehr Probleme?

Ich bin ruhig geblieben und habe nichts gemacht. Es war eine schlimme Situation. Und leider steht sie für so viele Situationen. Wenn nur jemand etwas gesagt hätte, hätte auch eine weitere Person reagiert. Wir wären gemeinsam gewesen, und hätten die Situation lösen können.

Wegen Corona habe ich zeitweise alle meine Arbeit verloren. Meine Arbeitgebenden haben einfach angerufen und gesagt, ich soll nicht mehr kommen. Ich wurde wie Abfall behandelt. Wenn es mich braucht, dann kann ich arbeiten. Wenn sich etwas ändert, werde ich einfach weggeworfen. So muss ich immer in der Unsicherheit leben, ob ich am nächsten Tag noch Arbeit habe und meine Rechnungen noch bezahlen kann. Warum bin ich abhängig von Arbeitgebenden? Warum diese Unsicherheit?

Es gab Monate, da hätte ich auf der Strasse schlafen müssen. Wenn nicht viele solidarische Menschen Geld gespendet hätten, damit auch Sans-Papiers Unterstützung in der Corona-Krise erhalten. Solche Unterstützung ist wichtig, damit wir gemeinsam durchhalten.

Ich war auch viel alleine zuhause im letzten Jahr. Ich habe oft überlegt, wer meine Freundinnen sind. Das waren schwierige Gedanken. Das Leben ist oft nicht einfach, aber wir machen uns auch viel Druck selber. Es gibt immer Menschen, die da sind. Wir müssen uns gegenseitig suchen, und füreinander da sein.

Ja, es gibt eine Krise. Und ja, es gibt Diskriminierung. Es gibt Rassismus. Es gibt Sexismus. Es gibt Diskriminierung von Jungen und Alten. Diskriminierung wegen unseren Körpern. Aber es ändert sich nichts, wenn wir das einfach nur feststellen.

Wir müssen gemeinsam solidarisch kämpfen. Das bedeutet, zu reagieren, wenn jemand geschlagen wird. Das bedeutet, zu geben, wenn wir haben, und zu nehmen, wenn wir brauchen. Das bedeutet, füreinander da zu sein.

Gemeinsam solidarisch kämpfen bedeutet, dass wir uns organisieren und unsere Stimmen erheben. Dafür müssen wir etwas aufbauen. Alleine schaffen wir das nicht. Ich bin aktiv geworden, weil ich gemerkt habe, dass es etwas bringt, mir und uns allen. Wenn wir einen Schritt machen, wenn wir an uns und an die Veränderung glauben und dafür kämpfen, dann inspirieren wir auch andere. Wenn wir uns bewegen, werden sich auch andere bewegen. Und Veränderung wird möglich.

Am 1. Mai gehen wir zusammen auf die Strasse, um einen weiteren Schritt zu gehen. Und danach machen wir den nächsten.

Gegen Krise und Diskriminierung – Gemeinsam solidarisch kämpfen!

Sans-Papiers-Kollektive Basel