Ernüchterndes Fazit des Härtefälle-Testlaufs

Medienmitteilung der Anlaufstelle für Sans-Papiers Basel
25. Mai 2021


Sans-Papiers-Härtefälle: Ernüchterndes Fazit des Testlaufs

Nach zweieinhalb Jahren ist der Testlauf zur überarbeiteten Härtefallpraxis des Kantons Basel-Stadt abgeschlossen. Trotz gutgeheissenen Gesuchen ist das Fazit ernüchternd: unverlässliche Einschätzungen, zu korrigierende Entscheide und lange Verfahren. Für eine zielführende Lösung bleibt noch viel zu tun.

Im November 2018 haben die Sans-Papiers-Kollektive und die Anlaufstelle für Sans-Papiers zehn Härtefallgesuche anonym eingereicht, um die zuvor vom Migrationsamt überarbeitete Härtefallregelung im Kanton Basel-Stadt praktisch zu testen. Neun Gesuche wurden in der Folge auch namentlich eingereicht und nun ist nach zweieinhalb Jahren der letzte Entscheid eingetroffen: die neunte Gutheissung. Für die neun Sans-Papiers, die ihre Identität offen gelegt haben, ist der Erhalt der Bewilligung eine grosse Erleichterung. Für alle anderen bleiben viele Fragen offen. Die Basler Härtefallpraxis ist noch weit davon entfernt, praktikabel zu sein.

Unverlässliche Einschätzungen, zu korrigierende Entscheide und lange Verfahren

In einem Merkblatt sind die Kriterien aufgelistet und öffentlich einsehbar. Zudem ist der Aufenthalt der Gesuchstellenden während dem Verfahren gesichert und Arbeitsverhältnisse können angemeldet werden. Dies sind wichtige Verbesserungen dazu, dass die Härtefallregelung für Sans-Papiers umsetzbar wird.

Diese Anpassungen sind aber leider bei Weitem nicht ausreichend. Die Einschätzungen des Migrationsamts zu den anonymen Gesuchen sind trotz der Klärungen nicht verlässlich. Ein Drittel der anonym eingereichten Gesuche wurden vom Migrationsamt nach Bekanntgabe des Namens doch wieder anders beurteilt. Zudem fällt das Migrationsamt auch regelmässig bezüglich der namentlich eingereichten Gesuche nicht tragbare Entscheide, weshalb die Härtefallkommission und der Vorsteher bzw. die Vorsteherin des Justiz- und Sicherheitsdepartements immer wieder die Entscheide korrigieren müssen. Im Testlauf mussten sie ebenfalls in einem Drittel der Fälle einschreiten. Die Verfahrensdauern sind mit vielen Monaten bis zu mehreren Jahren sehr lange. Und das Migrationsamt hält auch weiterhin an den Strafverfahren gegen gesuchstellende Sans-Papiers fest, die mit der Überarbeitung der Praxis eingeführt wurden.

Diese Tatsachen machen die Beratungen für die Anlaufstelle sehr schwierig. Und für all die Sans-Papiers, die hier auch ohne Bewilligung verwurzelt sind, sind es grosse Hindernisse für den Schritt, nach all den Jahren die Identität offen zu legen und ein Gesuch einzureichen.

Handeln der Regierung ist notwendig für eine zielführende Lösung

Um wirklich zu erreichen, dass ein Teil der lange in Basel anwesenden und verwurzelten Sans-Papiers ihre Situation und ihre Arbeitsverhältnisse regularisieren können, braucht es verlässliche und kürzere Verfahren. Auch für die Arbeit der involvierten Stellen ist dies unverzichtbar. Zudem braucht es eine offene Haltung der offiziellen Stellen.

Der Grosse Rat hat den Willen zu einer zielführenden Lösung mit dem Anzug betreffend Legalisierung von Sans-Papiers nach dem Muster des Kantons Genf bereits 2017 ausgedrückt. Das Migrationsamt hat mit der Überarbeitung des Merkblatts zwar etwas entworfen, im Testlauf wurde aber deutlich, dass der Wille zur Umsetzung fehlt. Die Regierung muss das Thema nun in die Hand nehmen und departementsübergreifend an zielführenden Lösungen arbeiten.

Corona hat es nochmals deutlich aufgezeigt: Sans-Papiers leben hier. Die Suche nach Lösungen ist unsausweichlich. Es werden weiterhin auf unabsehbare Zeit Tausende von Sans-Papiers in Basel leben – und damit soziale, wirtschaftliche und politische Fragen aufwerfen. Es gibt nach wie vor keine andere Möglichkeit, die Thematik anzugehen, ohne die Regularisierung zumindest eines Teils der Sans-Papiers.