Appellationsgericht sagt klar NEIN zu Strafen

Drei lange Jahre wurden Sans-Papiers in Basel-Stadt nach ihrer Regularisierung angezeigt. Heute schob das Appellationsgericht dieser Praxis einen Riegel vor. Schuld und Tatfolgen sind so geringfügig, dass eine Bestrafung falsch wäre. Damit darf zukünftig gegen Sans-Papiers, die erfolgreich ein Härtefallgesuch einreichen, kein Strafverfahren mehr eröffnet werden.

Migrationsamt ermittelte in einer verdeckten Doppelfunktion

Seit 2017 führte das Migrationsamt in den Härtefallverfahren in einer verdeckten Doppelfunktion – ohne die Gesuchsteller*innen bei der Beweiserhebung darüber informiert zu haben – strafrechtliche Ermittlungen und zeigte die Gesuchsteller*innen danach bei der Staatsanwaltschaft an. Das Strafgericht hatte bereits Ende Februar 2018 zu Gunsten der Sans-Papiers entschieden und in seinem Urteil wegen fehlendem öffentlichem Interesse von einer Bestrafung abgesehen. Regierungsrat Baschi Dürr hielt aber an den Strafverfahren weiterhin fest und die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein.

Appellationsgericht fällt wichtigen Entscheid zur Sans-Papiers-Frage

Das Appellationsgericht bekräftigte heute, dass Sans-Papiers keine Straftäter*innen, sondern Arbeiter*innen ohne geregelten Aufenthalt sind. Damit stützt das Gericht in seinem Urteil die Verteidigung: Es gibt kein öffentliches Interesse daran, Sans-Papiers, die sich bemühen, ihren Aufenthalt in der Schweiz zu regularisieren, nach Erhalt der Bewilligung noch zu bestrafen. Somit wurde dieser Praxis definitiv ein Riegel vorgeschoben und ein wichtiger Präjudizentscheid in der Frage der Regularisierung der Sans-Papiers gefällt.

Zudem weist das Gericht ausdrücklich darauf hin, dass eine Gesetzesänderung auf Bundesebene vorzunehmen wäre. Artikel 115 des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) müsste dahingehend erweitert werden, dass bei regularisierten Sans-Papiers von einer Strafverfolgung abgesehen wird. Die Basler Regierung hat dies bereits bei Bekanntwerden der Strafanzeigen vorgeschlagen. Mit dem heutigen Urteil wird sie nun darin bekräftigt, Verantwortung zu übernehmen und eine entsprechende Änderung des Gesetzes in Bundesbern zu initiieren.

Massnahmen zur Umsetzung der Härtefallregelung in Basel-Stadt

Die Anlaufstelle für Sans-Papiers und die Sans-Papiers-Kollektive Basel erwarten nun, dass alle noch offenen Strafverfahren sofort eingestellt und in Zukunft gar nicht erst Verfahren eröffnet werden. Zudem müssen mindestens folgende Massnahmen umgesetzt werden, damit die Härtefallbestimmung im Kanton auch wirklich greift:

  • Die Regierung muss jetzt Haltung zeigen und öffentlich kommunizieren, dass die Sans-Papiers Teil der Stadtbevölkerung sind und ihre Regularisierung erwünscht ist.
  • Das Migrationsamt muss gewillt sein, die Härtefallbestimmung anzuwenden und ihren Ermessensspielraum im Sinne einer liberalen Regularisierungspraxis in Basel nutzen.
  • Das Merkblatt muss angepasst werden und die Regularisierung muss auf Kriterien und Anforderungen beruhen, die Sans-Papiers auch erfüllen können.
  • Die Praxis des Migrationsamtes muss vom Aufwand her umsetzbar sein, so dass die Verfahren in angemessener Zeit (maximal 3 Monate) durchgeführt werden können.